Die Chance für einen Neuanfang

Wir schreiben Frühling 2020, genauer das Wochenende 21./22. März 2020. Das Wetter ist hier in Südbayern trüb und es fällt leicht, die Quarantäne zu ertragen. Meine Frau hatte einen Patienten behandelt, der vergangene Woche an Covid-19 verstarb, besser gesagt: mit Covid-19, denn das Virus war sicher nicht sein alleiniges Verhängnis, sondern wie bei fast allen bisherigen Opfern eine üble Mischung diverser Erkrankungen. Es folgt meine persönliche Analyse einer Serie katastrophaler Denkfehler mit sehr weit reichenden Konsequenzen. Deutschland wird im Herbst ein veränderter Staat sein und es ist nicht klar, wie der funktionieren wird. Aufschreiben will ich insbesondere die Gedanken, die für den Kreis politischer und wirtschaftlicher Entscheidungsträger möglicherweise neu sind. Ich rede von der Beschaffung und Bewertung von Informationen, bevor man weit reichende Entscheidungen trifft und gebe eine Empfehlung ab.

Die Situation

Wo das Krankheitsbild Covid-19, eine grippeähnliche, fiebrige Erkältung auftritt, legt die Führungsschicht der Menschen die eigene Wirtschaft lahm, ruft den Ausnahmezustand aus und schränkt die Bewegungsfreiheit ein. Das geschieht nach dem Vorbild Chinas, weil dort das Virus zuerst auftrat, in fast allen Industrienationen der Welt. So auch hier in Deutschland. Das offizielle Ziel ist es, die Ansteckungskette zu unterbrechen und die Bevölkerung vor einer schweren Lungenentzündung zu bewahren, die nach Auffassung der Entscheider in einer vergleichsweise hohen Anzahl von Fällen zum Tod durch eine Lungenentzündung führt.

Die Zahlen

  • In China wurden 81.345 Menschen positiv auf das Virus getestet. 3265 verstarben. Die Krankheit gilt dort als beherrscht, denn es gibt kaum noch Neuinfektionen. Das fleißige Milliardenvolk im fernen Osten kam ohne eine größere medizinische Katastrophe davon.
  • In Italien zählt man 53.578 positiv getestete Patienten. 4.825 verstarben bisher. Die Rede ist von verheerenden Zuständen. In überlasteten Kliniken sterben Menschen, für deren Behandlung keine Betten und kein Personal verfügbar sind. Der Trend ist nicht eingedämmt. Bis heute steigt die tägliche Zahl von Infektionen und von Todesfällen bedenklich.
  • In Deutschland wird, genau wie in Italien eine schnell steigende Anzahl von Menschen, aktuell 23.129 als Corona-positiv geführt. Bisher verstarben 93 Menschen. Das Virus war zumeist nicht die alleinige Todesursache. Damit entspricht das deutsche Bild bisher in etwa dem erwarteten Normalfall solcher Epidemien.

Man erkennt einen Unterschied zwischen Italien und Deutschland. Dieser Unterschied ist statistisch derart signifikant, dass Fragen aufkommen. Ist das wirklich die gleiche Krankheit, ausgelöst vom gleichen Erreger, die da grassiert? Kann man das überhaupt beurteilen? Falls nicht: Welche Informationen braucht es dafür noch? Wie viele Menschen sind denn überhaupt ernsthaft krank und sterben sie wirklich am Virus, oder, was eine völlig andere Qualität wäre, mit dem Virus? Wie ist also die Datenbasis zu bewerten?

Welches Virus?

Wirkt gegen …, Coronaviren, … steht auf einer Flasche Handdesinfektionsmittel, die mir im Haushalt in die Hände fällt. Die Flasche ist schon etwas älter. Wusste der Hersteller das mit dem Coronavirus etwa schon vorher? Nein, die Viren sind schon immer da. Sie sind Weggefährten des Menschen. Ich erinnere mich dunkel an die Biochemie-Semestervorlesungen im Studium, wo es auch mal darum ging, wie solche Retroviren funktionieren. Ein Blick ins alte Lehrbuch (mit einem Lächeln: Lubert Stryer, Biochemistry, 4. Auflage, 1987). Der Fluss der genetischen Information solcher Keime wird dort noch als umstritten bezeichnet. Man wusste vor 30 Jahren viel weniger. Da muss eindeutig ein Update her.

Wie Recherchieren?

Wenn ich den aktuellen Stand der Dinge in einem Fachgebiet grob abschätzen und mir nicht gleich ein teures Lehrbuch kaufen will, bemühe ich bisweilen auch mal die Patentrecherche. Mit dem Suchwort „Coronavirus“ wird die Suchmaske des Espacenet befragt. Ich werde nicht nur fündig, sondern ich versinke. Donnerwetter, fast 1500 Treffer. Ich fange an zu schmökern. An dieser Stelle und zu meiner Ehrenrettung: meine Familie und ich waren, wie einleitend bemerkt, bereits seit ein Paar Tagen in Quarantäne, als Söder „bleiben sie zu Hause“ sagte. Ich habe also Zeit.

Patente liest man quer. Es ist völlig aussichtslos, sich mit allen Texten zu befassen. Das entstehende Bild nennt man den Stand der Technik. Ein Problem ist dabei die schiere Menge an Information, die professionell und reich an Zitaten daher kommt. Ein Überblick ergibt sich recht schnell. Was wird denn da patentiert? Man findet Impfstoffe, Verfahren zum Nachweis und zur Herstellung (sic!) von diversen Coronaviren. Wieso Herstellung: Na, um Nachweisverfahren für eben diese Coronaviren zu entwickeln. Wann wurde patentiert? Fast alle Patente sind neueren Datums, d.h. stammen aus den Zweitausender und Zweitausendzehner Jahren. Wuxi patentiert auch fleißig – das ist die chinesische Firma, die einen Sitz in Wuhan nicht weit weg von dem zum Ausbruchsort erklärten Fischmarkt hat. In etlichen Schriften ist im einleitenden Text über SARS oder MERS als Grund für die Arbeit zu lesen.

Nein, stopp, ich behaupte nicht, dass das Virus künstlich hergestellt wurde. Die Herkunft des Virus ist nicht mein Punkt.

Offensichtlich ist, dass Schnelltests zum trennscharfen Nachweis von Coronaviren heute gut verfügar und zugleich Gegenstand aktueller Forschung sind. Als uns SARS in 2003 Angst und Schrecken bereitete, waren die analytischen Möglichkeiten, so mein Eindruck, noch deutlich kleiner. Im letzten Jahrtausend, aus dem ich stamme, konnte man einem Virus nicht wie heute live und in Farbe bei der Ausbreitung zusehen. Man war damals analytisch blind – ergo konnte auch keine weltweite Unruhe wegen der eminenten Ausbreitungsgeschwindigkeit entstehen. Infektionen kamen und gingen einfach. Dass solche Ausbreitungen auch damals schon stattfanden, und das auch nicht selten, ist aber vollkommen klar.

Patente haben drei Eigenschaften. Das Wissen ist neu, nicht völlig naheliegend und profitabel verwertbar. Der Sinn ist ebenfalls immer der gleiche: Ein Patent berechtigt den Anmelder, anderen das Geldverdienen mit seiner Erfindung zu verbieten oder eben auch gegen eine Lizenzgebühr zu erlauben. Meine Kritik dazu verschieben wir, speziell an Patenten, die auf Themen des Gemeinwohls abzielen. Die weniger bekannte, positive Seite: Patente sind die mit Abstand größte Wissensquelle der Welt und für jedermann kostenlos zugänglich. Wer ein Patent haben will, muss nämlich detailliert und für Fachleute nachvollziehbar offenlegen, wie die Erfindung funktioniert. Man muss sich im Wust orientieren können, was mit den modernen Recherche-Tools kein Hexenwerk darstellt.

Wie spezifisch und wie genau die patentierten Virustests arbeiten, wie sie aufgebaut sind, steht detailliert im Kleingedruckten. Ein wichtiger Aspekt lässt sich wiederholt erkennen: die weltweit eingesetzten Labortests, die auf der „RT-PCR“ Methode basieren, sind, weil sie in der Lage sind, sogar einzelne Viren zu vermehren und zu detektieren, beliebig empfindlich und werden zudem so konstruiert, dass sie eher „falsch positiv“ anschlagen, als einen Keim zu übersehen. Ein positiver Test sagt für sich also noch nicht viel und hat insbesondere auch nichts mit einer bevorstehenden Krankheit zu tun.

Wenn ein neues Virus in die Welt kommt, gibt es dafür logischerweise noch keine Analytik. Diese muss erst entwickelt werden. So konnte z.B. Roche erst im März im Schnellverfahren einen Testkit für SARS-CoV-2 zulassen. Die Analytik hinkt also stets der Epidemie hinterher. Die Geschwindigkeit, mit der in den allerersten Tagen der Epidemie in China der Erreger analysiert, das neue Virus isoliert und offenbar auch trennscharfe Testkits in großer Stückzahl bereitgestellt wurden, ist beeindruckend. Ich habe, um ehrlich zu sein, noch nicht verstanden, wie man das überhaupt so schnell hinbekommen kann.

Google ist bei solch heißen Themen zur Quellenbeschaffung übrigens vollkommen unbrauchbar. Was ich dort in den Ergebnissen zu lesen bekomme, ist mir zu laut, zu falsch oder schlichtweg zu doof. Ich bevorzuge die kalte, klare Bergluft der Fachliteratur und bemühe mich im Rahmen meiner Fähigkeiten.

Wie diagnostiziert man Covid-19?

Wir haben es gerade erlebt: eine Abstrichprobe aus dem Rachen- und Nasenraum wird in einem schnell errichteten, professionell wirkenden Zelt-Drive-In von freundlichen, in Vollschutz gekleideten Menschen durchs Autofenster abgenommen. Mit einem langen Wattestäbchen passiert das, kurz etwas unangenehm, aber völlig harmlos. Ein Paar Tage später erfährt man das Ergebnis per Telefon oder SMS. Der Test kostet, falls er vom Gesundheitsamt angeordnet wird, das Geld der Gemeinschaft, ansonsten zahlt man selbst. Es klingelt aber in jedem Fall in den Kassen von Hersteller und Labor.

Falls das Ergebnis positiv ausfällt, wird man im Regelfall nicht krank. Falls er im Sinne der technischen Daten des verwendeten Tests „falsch positiv“ ist, hat man nicht einmal das Virus. Man sollte sich aber in jedem Falle als infektiös für andere betrachten.

Macht das Virus besonders krank?

Das Virus alleine ist, genau wie seinesgleichen kein Killer. Viren brauchen einen Wirt zur Vermehrung. Sie hatten in Millionen Jahren ihrer Historie noch nie etwas davon, wenn der Wirt durch ihre Anwesenheit starb, weil sie dann ja mit ihm wieder verschwinden. Seit Beginn der Ausbreitung werden Infizierte, wie z.B. die viel beachteten Webasto-Mitarbeiter, vorsichtshalber in Quarantäne geschickt. Bei ihnen traten durchweg keine dramatischen Krankheitsbilder auf. Auch wir selbst verspüren dieser Tage nichts Schlimmeres als leichte Schluckbeschwerden. Ohne den Hype um SARS-CoV-2 hätte ich das als Ausprägungen meines Heuschnupfens abgetan. Auch käme ich persönlich nicht darauf, eine überall vorkommende und schnell mutierende Virusfamilie an die Wand nageln zu wollen.

Klar ist , dass jede Erkältung, erst recht jede Grippe, für alte und vorgeschädigte Patienten äußerst dramatisch verlaufen kann. Das ist gewohnter, wenngleich unangenehmer Alltag. In Deutschland sterben jährlich knapp eine Million Menschen, davon etwa siebzigtausend an diversen Erkrankungen der Lunge, insbesondere auch an Lungenentzündungen. Wir kämpfen aber nicht gegen ein Virus, sondern leben schon immer in einem Meer von Keimen, die ähnliche Krankheitsbilder verursachen, uns in ähnlichen Wellen durchseuchen und auch Todesfälle zur Folge haben.

Wie kommt man darauf, die größten Wirtschaftssysteme der Welt stillzulegen?

Als China mit einer radikalen Vollbremsung seine Exportwirtschaft stoppte, war das Aufsehen groß. Der Warenstrom riss unter Volldampf plötzlich ab. In Deutschland war zunächst Arroganz und Abschätziges über das „totalitäre Regime“ der Chinesen zu hören. Man würde sich hier auf Basis eines prima ausgestatteten Gesundheitswesens wegen einer kleinen Grippe keine solch großen Sorgen machen.

Das Bild hat sich komplett gewandelt. Zwei Dinge sind, nur acht Wochen später, der Auslöser für den einzigartigen Ausnahmezustand in Deutschland, den Richtungswechsel diverser Politiker, dem öffentlichen Meinungswechsel des Direktors Wieler (RKI) vor dekorativ blauem Viren-Hintergrundbild und die dadurch noch einmal verstärkte, nackte Angst und Panik in der Bevölkerung.

Unsere Wirtschaft ist zum Einen ohne den konstanten Zustrom von Gütern aus Fernost fast handlungsunfähig. Das ist der handfeste und wichtige Grund für die Stilllegung – das geht ja nach der erfolgreichen Globalisierung gar nicht mehr anders, deren Ziel, „Profit über alles“, nun seine negativen Konsequenzen zeigt.

In Italien manifestiert sich zum Zweiten das bereits einleitend erwähnte Bild, da würde ein hoch ansteckendes Killervirus wüten und jeden Tag mehr Menschen dahin raffen. Es erscheint so, als wären die Menschen dort einer biblischen Katastrophe durch diesen einen Keim ausgesetzt. Die Todeszahlen in Italien bereiten Sorge. In Deutschland ist es offensichtlich anders. Eine Erklärung für diesen äußerst auffälligen Unterschied muss also her.

Woher stammen die Zahlen?

Es ist zweifellos beeindruckend, einem Zählwerk zuzusehen, das offenbar nur eine Richtung kennt und sich immer schneller dreht. Die Johns Hopkins University (JHU) hat eine Website eingerichtet, auf der man den Verlauf der globalen Ausbreitung anhand der aufsummierten Fallzahlen täglich verfolgen kann. Die Seite vermittelt die allgemein anerkannte Wahrheit. Die Titelseite des Instituts wirbt mit einer Desktop-Version und einer Mobile-Version für kleinere Bildschirme.

Wie kommt das Center for Systems Science and Engineering (CSSE) der JHU auf diese, zugegebenermaßen spannende Idee? Wurde ähnliches auch schon bei der Ausbreitung anderer hoch ansteckender Krankheiten auf dem Planeten versucht? Die Antwort ist enttäuschend. Auf den Seiten des CSSE findet man nur etwas verstaubt wirkende Grafiken über die Masern neben der bekannten, deutlich detaillierter gestalteten Seite über das neue Coronavirus SARS-CoV-2. Thematisch geht es offenbar auch nicht um Mikrobiologie, sondern darum, die Ausbreitung zu modellieren und grafisch aufzubereiten.

Als Kritik an der Präsentation des CSSE sei vorgebracht, dass es keine Einordnung und keinen Vergleich mit anderen globalen Infektionen gibt. Es gibt keine Aussage über die Zahl der tatsächlich Erkrankten, die drastisch kleiner ist, als die Zahl der Infizierten. Die Ausbreitung von SARS-CoV-2 wird als Einzelfall in absoluten Zahlen präsentiert. Sie ist die erste Präsentation dieser Art. Damit ist eine vergleichende Bewertung der Ergebnisse aber nicht möglich und die aufwändige Grafik nur von begrenztem Wert. Würde die Grafik die Fallzahlen mit den häufigsten Todesursachen in Beziehung setzen und eine Aussage über die täglichen Mortalitäten in den betrachteten Ländern abgeben, wäre das Bild weit weniger dramatisch. Wer sich vor den präsentierten Zahlen dennoch ängstigt, dem sei „Das Einmaleins der Skepsis“ von Gerd Gigerenzer empfohlen.

Das Robert Koch Institut (RKI) gibt jährlich einen deutlich detaillierteren, umfassenden Bericht zur Epidemiologie der Influenza in Deutschland heraus.

Covid-19 ist mit den jährlich auftretenden, typischen Grippe-Epidemien zu vergleichen. Daraus könnte man eine Bewertung ableiten. In der Grippesaison 2017/18 schätzt das RKI 25.100 „Exzess-Tote“ bei Millionen von Infizierten. Ein Nachweis des Verursachenden Erregers erfolgte reichlich selten. Selbst wenn jemand mit Grippebeschwerden zum Arzt geht, macht man solche Analytik schon aus Kostengründen nicht, weil es nichts daran ändert, dass die Grippe auskuriert werden muss.

Es hilft sehr, den Bericht des RKI vollständig zu lesen, um ein Gefühl für die Größenordnung und die durchaus erhebliche Gefährlichkeit einer Grippewelle zu bekommen, und um das Zahlenmaterial zu verstehen.

Thesen zu Covid-19

  • Covid-19 ist, verglichen mit einer typischen Grippe, ein Winzling.
  • Die Zahl der Todesfälle, die Covid-19 zugeschrieben werden, in Deutschland klein, prozentual und absolut.
  • Die Epidemie verhält sich im internationalen Vergleich zwischen den Ländern vollkommen unterschiedlich, insbesondere bei der Mortalität. Die Frage, wieso das so ist, ist ebenso wichtig wie ungeklärt. Die Datenbasis ist für eine Antwort ungeeignet.
  • Weil die allermeisten infizierten Personen nicht erkranken, steht die Frage im Raum, ob das SARS-CoV-2 Virus überhaupt eine besondere medizinische Gefahr darstellt, oder ob es aus anderen Gründen in die Schlagzeilen geraten ist.
  • Noch nie wurde die weltweite Ausbreitung eines Krankeitserregers so detailliert verfolgt. Das CSSE der Johns Hopkins University ist eine vergleichsweise kleine Einrichtung. Auch für sie ist die Erstellung der allseits bekannten, globalen Übersicht zum Coronavirus ein erstmaliges Werk. Die Betrachtung des Zahlenmaterials heizt dramaturgisch die globale Panik an. Nur das ist wirklich neu.
  • Die genannte Universität organisierte zusammen mit der Bill and Melinda Gates Foundation im Herbst des letzten Jahres das Event 201, auf das ich hier nur verweise. Man lese sich selbst durch, dass es in der Simulation kurz vor dem Auftreten von Covid-19 um einen hypothetischen Ausbruch ging, der dem, was wir aktuell erleben gespenstisch ähnelt. Mit einem Unterschied: Das hypothetische Szenario 201 erwartete drastisch mehr Tote. Aha, mit so was beschäftigt sich Multimilliardär Bill Gates also, wenn er gerade nicht sein traditionelles Geschäft betreibt, mit einem virenanfälligen Betriebssystem, das mit allerlei Schutz-Software geimpft werden muss?

Maßnahmen?

Die Maßnahmen der Länder und des Bundes erfolgen aus politischem Zugzwang „man muss etwas tun“. Sie erscheinen, weil in unseren Denkstrukturen das Tun, und sei es noch so sinnlos, vor dem Lassen kommt, teilweise geradezu schwachsinnig.

Wieso gibt es eine Schulschließung, wenn Jugendliche kein Problem haben und Ihre Betreuung bei Oma und Opa eine ebenso naheliegende Konsequenz sein kann wie das Feiern von Parties?

Wieso sollen wir uns nach Beispiel der europäischen Gesundheitsminister durch einen Spahn-Gruß („Ellbogen-Kuß“) begrüßen, nachdem wir pflichtschuldigst in den gleichen Ellbogen hinein geniest und gehustet haben und diesen mit Sicherheit nicht regelmäßig mit Wasser und Seife waschen?

Wieso schützen wir nicht für einige Monate die Mitmenschen aus den Risikogruppen effektiv mit allem was wir haben und erlauben zugleich eine möglichst rasche Ausbreitung des Virus unter den anderen, den Jungen und den Gesunden? Damit wäre doch die rasche Immunisierung der Herde schnell erreicht und wir hätten die Sache hinter uns.

Wieso ist also ausgerechnet das zeitliche Strecken der Infektionsphase der Plan? Das führt ja logisch vor allem zu einem: der für manche Mitbürger gefährliche Zustand wird um einiges länger dauern, bei effektiven Maßnahmen sogar um viele Jahre! Daneben zielt der Vorschlag „Risikopatienten schützen, die anderen durchseuchen“ darauf ab, die alten und kranken Leute nicht in Raten und mit mit individuellem Risiko, eine Lungenentzündung zu entwickeln, sondern möglichst gar nicht zu infizieren. Auf diese Idee müsste doch schon jemand gekommen sein?!

Stattdessen wurde zunächst die Ausbreitung der Infektion von der Politik für lange Zeit komplett ignoriert, mutmaßlich um die Wirtschaft zu schützen. Das Virus konnte sich bis über den Kölner Karneval hinaus ungebremst ausbreiten. Seit einem allgemeinen Gesinnungswandel kommen nun Maßnahmen in unser Leben, die ich allenfalls unter nicht zielführendem, hektischem Aktionismus auf Basis komplett fehlender Analyse einordnen kann. Ein gewisser Herdentrieb derer, die in der politischen Klasse nach oben streben, ist ebenfalls zu konstatieren. Typisch CDU/CSU, denkt sich der Bayer speziell im Falle Söder: erst mal abwarten, und wenn sich irgendwo etwas zusammenbraut so tun, als hätte man es erfunden.

Was folgt für die Zeit danach?

Viren gibt es viel länger als Säugetiere auf der Erde. Sie mutieren und durchseuchen uns ein um andere Mal. Vielleicht ist mal eine gefährliche Mutation dabei oder der Mensch gar in der Lage, sie zu Biowaffen umzufunktionieren. Ob er das tun wird, hängt davon ab, wie wir miteinander umgehen.

Geben wir einen immer größer werdenden Teil des Staatshaushalts zu unserem Schutz für Rüstung aus, wird es über kurz oder lang auch solche Biowaffen geben. Investieren wir zu unserem Schutz immer mehr in Gesundheits- und Sozialwesen, müssen wir uns auf Basis guter Versorgung und moderner Technik auch vor ernsten Epidemien nicht fürchten.

Unser Wirtschaftssystem ist globalisiert. Stockt die Lieferkette oder der Finanzfluss, bricht es zusammen. Das ist gerade in diesen Tagen offensichtlich und wir erwarten das ja auch nicht anders. Aber wollen wir das denn wirklich so?

Die Wachstumswirtschaft halte ich persönlich schon seit Langem für gescheitert. Meine Gründe bestätigen sich immer wieder. Anderthalb Jahrzehnte, nachdem ich mein Leben und meine Arbeit auf Suffizienz, Nachhaltigkeit, etwas Gemeinwohl und eine gewisse Bescheidenheit ausgerichtet hatte, trat Fridays for Future mit einer Galeonsfigur auf die Bühne, deren Geburtsdatum in den Zeitraum meines Umdenkens fällt. Diese klagt ihre Elterngeneration dafür an, nichts unternommen zu haben und ungebremst den Planeten zu verwüsten. Da ist zweifellos auch was dran.

Mit Blick auf die aktuelle Pandemie dürfte die Weiträumigkeit, mit der sich der industrialisierte Mensch auf dem Planeten bewegt, einen großen Beitrag zur globalen Verbreitung des Krankheitserregers geleistet haben.

Der FFF-Bewegung unterläuft indes der gleiche doppelte Denkfehler, der in der Corona-Krise weltweit gemacht wird. Ich erlaube mir, ihn zu beschreiben und einen Transferschluss zu ziehen.

Die Probleme, die im Zusammenhang mit der bestehenden, globalen Energie- Ressourcen- und Umweltkrise zusammen hängen, werden in einen Topf geworfen, auf dem das Name eines der vielen Effekte, der Klimaerwärmung steht. Das macht die Sache komplex, und Komplexität ist in dieser Größenordnung nicht beherrschbar. Man will etwas dagegen tun, kann das aber nicht, weil unklar ist, wo man überhaupt anfangen soll. Was bleibt, ist eine ewige, emotionale Diskussion ohne Ergebnis. Die hirnlose Prasserei geht indes einfach entlang der Wachstumslinie der Wirtschaft weiter, und sogar diverse Protagonisten der Bewegung steigen noch immer in den Flieger, wenn sie Langeweile verspüren, statt Vorbild zu werden.

Eine Ähnlichkeit zur Corona-Krise ist gegeben. Dass dieses, im Vergleich zu Hunger, Malaria, Masern, Grippe und den physischen Folgen weltweiter Waffenbenutzung vergleichsweise kleine medizinisches Problem an mehreren Orten auf der Welt auftrat, dann aufgrund organisatorischer Maßnahmen der chinesischen Staatsführung erst eine chinesische Industriemetropole, eine Provinz, der chinesische Export und in der Folge dann die gesamte Weltwirtschaft vorübergehend in die Knie gingen, wurde auf einen winzigen, für alles verantwortlichen Feind geschoben, dem der ebenfalls kleine französische Präsident sogar den Krieg erklärte. Auch hier haben wir aber, genau wie bei der Klimaerwärmung, ein komplexes Knäuel vor uns, das wir, statt es zu entwirren, bloß noch emotional diskutieren und uns in wenig durchdachtem Aktionismus üben.

Ich schlage einen anderen Weg vor: Probleme sind erst zu entwirren, voneinander zu separieren und einzeln zu lösen. Als guter Ansatz kommt es aus meiner Sicht in Frage, eben nicht blindwütig irgend etwas zu tun, sondern, wenn einem als Politiker, Wirtschafts- oder Finanzboss so ganz und gar überhaupt nichts Schlaues einfällt, wirklich auch mal etwas bleiben zu lassen.

Im Falle des Klimawandels ist das Problem der überbordende Energie- und Ressourcenverbrauch, mit dem die Wohlstandsgesellschaft ihren Luxus befeuert. Der muss herunter gefahren werden. Dass das geht, und was daraus folgt, erleben wir gerade sehr eindrucksvoll. Das macht mir persönlich großen Mut.

Im Falle der Corona-Krise empfehle ich, erst einmal herauszufinden, woran denn die vielen armen Norditaliener sterben. Wenn die Ursache bekannt ist, sollte man versuchen, sie abzustellen. In Frage kommt die massive Luftverschmutzung in den norditalienischen Industriestädten. Es kann sein, dass den Norditalienern schlicht ihr hohes Durchschnittsalter im Winter eine hohe Mortalität beschert. Die Jungen sind weg, auf der Flucht vor der Wirtschaftskrise. Auch möglich ist es, dass in den überforderten Krankenhäusern mangels besserer Alternativen eine Übermedikation der Patienten stattfindet. Es ließe sich noch mehr ersinnen und für manche Hypothesen fehlt vielleicht der Beweis. Den könnte man aber nebenbei führen, würde man seine Sinne endlich für andere, evtl. wichtigere Einflussgrößen als die Verbreitung dieses einen, neuen Coronavirus öffnen.

Das Coronavirus SARS-CoV-2 selbst kann aus logische Gründen nicht die alleinige Ursache für das reale Elend in Italien sein, und es wird allerhöchste Zeit zu klären, was da schief läuft.

Schlusswort an Wirtschaft und Politik

Im Zuge der massiven Wirtschafts- und Systemkrise, die vollkommen sicher auf uns zu kommt, sollten wir uns die Frage stellen, ob es wirklich weiter sinnvoll ist, so zu wirtschaften, wie wir es bisher tun: global, hektisch, ausbeutend, auf den Profit weniger statt auf das Gemeinwohl aller fixiert, verschwenderisch und nicht zuletzt: anfällig für jeden kleinen Schnupfen.

Freilich klingt eine Naturkatastrophe als Grund für die die frühzeitig von der EZB und der Bundesregierung zugesagte, rettende Finanzspritze in Höhe einer dreiviertel Billion auf den ersten Blick besser, als das längst fällige, ehrliche Geständnis der neoliberalen Bosse, ihren eigenen Laden einfach nicht im Griff zu haben.

Ich halte es, um noch eine freundlich gemeinte Frechheit los zu werden, ganz gerne mit diesem Motto

Unterstelle nicht Vorsatz, wenn du etwas auch durch Dummheit hinreichend erklären kannst.

Mit Blick auf die jüngsten Entscheidungen und die umfassenden Konsequenzen einer Krise, deren Namensgeber, das Coronavirus, offensichtlich nicht für alles verantwortlich gemacht werden kann, sollten wir uns dazu entschließen, weder Vorsatz noch Dummheit unserer Anführer länger hinzunehmen.

Wir sollten aber auch damit anfangen, wieder eigenverantwortlich und gemeinnützig zu denken und zu handeln. In diesem Sinne wünsche ich uns allen angenehme, kreative Tage in der Quarantäne, gute Fortschritte bei der eigenen Bildung und gute Ideen für die Zeit danach.